DIE ENTDECKUNG DER LANGSAMKEIT

Wie man langsam fährt und nicht umfällt, wenn es eng wird
Ihr seid auf einer Rallye und überall um euch herum sind Motorräder. Ihr fahrt auf einen Parkplatz und beurteilt die Lage. Den ganzen Tag lang sind Biker angekommen und wieder weggefahren, und die Reihen sind nicht mehr ganz ... „gleichmäßig“. Motorräder tauchen plötzlich wie aus dem Nichts aus, und Ihr wisst nicht, wo Ihr hinfahren sollt. Vor euch ist ein Weg, aber der ist ganz schön eng. Und krumm. Und ein bisschen beängstigend.
Ihr fahrt in den Weg, aber nach kurzer Zeit habt ihr beide Füße auf dem Boden und schiebt das Motorrad langsam vorwärts. Der Typ hinter euch wird langsam ungeduldig. Er hat zwar (noch) nicht gehupt, aber ihr fühlt seinen Blick und seinen Ärger. Und ihr wünscht euch, ihr wärt nie hier hereingefahren.
So ähnlich hat sich Wes Smith aus Albany, Mitglied des H.O.G Louisiana, gefühlt, bevor er gelernt hat, wie man langsam auf kleinstem Raum fährt. Jetzt hat er nicht nur keine Angst mehr, er ist ein Champion: der Gewinner der Riding Skills Competition (Civilian Division) auf der 115. Harley-Davidson Anniversary Celebration in Milwaukee letztes Jahr.
„Ich war nie in der Lage, langsam zu rangieren“, erinnert er sich.
Aber dann sah er eines Tages einen Haufen Polizisten auf dem Parkplatz eines Sportgeschäfts um Kegel herumfahren. Es handelte sich um einen Wettbewerb im Geschicklichkeitsfahren von Motorradpolizisten. Das hat ihn fasziniert. Er war begeistert. Bevor er sich versah, nahm er Unterricht am Gulf Coast Motorcycle Institute. Jetzt ist er ein Champion und hat keine Angst mehr vor Parkplätzen.
„Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht“, sagt er. „Und mit ein bisschen Schulung und Übung kann das jeder lernen.“
SCHRITTE ZUM ERFOLG
Ray Petry, Projektmanager des Harley-Davidson® Rider Development und zertifizierter Trainer der Riding Academy, erläutert einen mehrstufigen Ansatz, um langsam auf engstem Raum zu rangieren. Man beginnt damit, langsam eine gerade Linie zu fahren und dann mit der Kupplung, der Drosselklappe und der hinteren Bremse zu spielen. Dann findet man den „vollständigen Anschlag“ des Lenkers und legt schließlich das Motorrad in die Kurve und verlagert dabei das Gewicht nach außen.
Gerade und gleichmäßig
Beginnen Sie damit, langsam auf einer geraden Linie zu fahren. Der Kopf und die Augen sind nach vorne gerichtet (nicht nach unten aufs Vorderrad). „Gucken Sie nicht zu viel nach unten oder nach links und rechts“, sagt Petry, „weil Sie dann Ihren Kopf destabilisieren, was bei dem stört, was Sie vorhaben.“
Üben Sie, gleichmäßig zu drosseln und dabei die Kupplung und hintere Bremse sanft zu bedienen, um langsam und gleichmäßig vorwärts zu fahren. Smith sagt, dass der Schlüssel eine sanfte Bedienung der hinteren Bremse ist. „Ich bediene die hintere Bremse nur mit meinem großen Zeh. Ich berühre das Ding kaum.“
Wenn Sie sicher darin sind, langsam auf einer geraden Linie zu fahren, ohne dass Sie mit dem Lenker „rudern“ oder Ihre Füße absetzen müssen, sind Sie bereit zum Wenden.
Auf die Plätze, fertig, Anschlag
Der nächste Schritt ist es, das Motorrad mit dem Lenker in der Position mit „vollständigem Anschlag“ zu wenden, also mit dem Lenker so weit wie möglich nach links oder rechts gedreht. Wenn Sie das Konzept des „Gegenlenkens“ kennen (den Lenker in Gegenrichtung drehen, um eine Kurve einzuleiten), müssen Sie wissen, dass dies nicht gilt, wenn Sie weniger als 7-10 km/h schnell fahren.
„In diesem Fall müssen Sie direkt lenken“, sagt Petry, „sodass Sie den Lenker tatsächlich in die Richtung bewegen, in die Sie fahren möchten, ganz so, wie Sie ein Auto lenken würden.“
Der Sinn dieser Übung ist es, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie weit sich der Lenker drehen lässt und wo seine Grenzen sind. Halten Sie dabei eine gleichmäßige Geschwindigkeit. Wenn Sie das Gefühl haben, dass das Motorrad gleich kippt, lassen Sie die hintere Bremse etwas los, fahren aus der Situation heraus und beginnen erneut.
Menschliches Gegengewicht
Zuletzt müssen Sie lernen, das Motorrad so tief wie möglich zu legen, um einen möglichst kleinen Wendekreis zu erhalten. Dazu gehört es, Ihren Körper durch die Wende hindurch als „Gegengewicht“ zu benutzen.
Bei höheren Geschwindigkeiten legt sich Ihr Körper ganz natürlich mit dem Motorrad in die Kurve. Wenn Sie es richtig anstellen, bleibt Ihr Körper auf einer Linie mit dem Rahmen des Motorrads. Das geschieht ganz von selbst, Sie müssen gar nicht darüber nachdenken. Bei niedriger Geschwindigkeit passiert das Legen bewusster.
„Indem der Lenker komplett in eine Richtung gedreht wird, wird der Radius kleiner, aber der kleinste Radius ist der, in dem auch das Motorrad komplett schräg gelegt wird“, sagt Petry. „Wenn Sie schon einmal gesehen haben, wie ein Motorradpolizist das macht, haben Sie gesehen, dass das Motorrad so weit schräg gelegt wird, bis die Fußstütze den Boden berührt, aber der Fahrer in Gegenrichtung liegt.“
Bei kleineren Fahrern kann effektive Gegengewichtung bedeuten, dass das Gewicht auf dem Sitz verlagert werden und der Po ein bisschen bewegt werden muss. Bei den meisten Leuten bedeutet es allerdings nur, den Körper vertikal (zum Boden) zu halten, während sich das Motorrad unter Ihnen durch die Kurven vor und zurück bewegt. So nimmt Smith in Wettbewerben diese engen Kurven.
„Ich bewege mich kein Stück“, sagt er. „Ich setze mich einmal richtig hin und möchte mich dann nicht mehr bewegen. Sie sollten Ihren Körper gerade halten, fast wie ein Brett, und dann das Motorrad unter Ihnen die Arbeit machen lassen.“
PRIVATES TRAINING
Die beste Art, diese Fähigkeiten zu erlangen und auf engstem Raum ein besserer Fahrer zu werden, ist es, einen Kurs zu belegen. Aber ganz egal, ob Sie Unterricht nehmen oder sich das selbst beibringen, der Schlüssel zum Erfolg ist es, stetig zu üben.
Dafür ist ein leerer Parkplatz ideal. Wenn Sie auf der Breite von Parkbuchten lernen, brauchen Sie noch nicht einmal Kegel. Die meisten Parkplätze sind 2,30 m bis 2,50 m breit, zwei von ihnen bilden also eine gute Zielbreite für einen engen U-Turn.
„Und weil die Übungen sowohl geistig als auch körperlich anstrengend sind, sollten Sie am besten nicht zu lange üben, vielleicht 20 Minuten am Stück“, sagt Petry. Und vergessen Sie nicht, ab und zu eine Pause einzulegen, um Ihr Motorrad abzukühlen und sich auszuruhen. Stecken Sie Ihren Claim ab. Atmen Sie ein paar Mal tief ein. Warten Sie, bis sich Ihr Puls etwas beruhigt hat.
ALLES ZU SEINER ZEIT
Vergessen Sie nicht, dass diese Art des Fahrens nur für bestimmte Fahrsituationen gedacht ist. Machen Sie keinen U-Turn auf der Straße, nur weil Sie das können - oder weil Sie sehen, wie ein Polizist das gerade macht. Das kann zu gefährlichen Situationen führen.
„Diese Fähigkeiten sind dazu gedacht, einen Stau außerhalb der Straße zu umfahren“, sagt Petry. „Wenn Sie zu einer Rallye fahren und die Straße gesperrt ist und dort viele Motorräder herumfahren, oder wenn Sie auf eine überfüllte Tankstelle fahren. Immer dann, wenn Sie eine öffentliche Straße verlassen, aber sich trotzdem in einer verkehrsreichen und komplexen Situation befinden, dann ist es wirklich nützlich.“
Der Fallbereich
Wenn Sie ernsthaft lernen wollen, ein Motorrad langsam zu fahren, müssen Sie darauf gefasst sein, Ihr Motorrad ein paar Mal umkippen zu lassen. „Sie müssen wissen, wie weit „zu weit“ ist und das können Sie nicht lernen, ohne Ihr Motorrad umkippen zu lassen“, sagt Petry.
„Aber das kann eine große mentale Hürde darstellen“, fügt er hinzu. „Wenn Sie ein Touren-Motorrad mit montierten vorderen und hinteren Schutzblechen besitzen, müssen Sie sich nicht so viel Sorgen machen. Allerdings sind diese Schutzbleche nicht gerade billig. Deswegen sollten Sie sie umwickeln, um sie zu schützen.“
Außerdem ist es wichtig zu lernen, wie Sie Ihr Motorrad sicher wieder anheben können. Durch Lernen der richtigen Technik kann fast jeder Fahrer lernen, jedes Motorrad sicher anzuheben.